Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Ein römischer Inschriftstein an der Pfarrkirche zu Kreuz-Weingarten.

Am 9. Dezember 1851 wies der spätere Professor Overbeck gelegentlich einer zur Feier des Geburtstages des berühmten Archäologen Winckelmann stattfindenden Generalversammlung des Vereins rheinischer Altertumsfreunde zu Bonn in längerem Vortrag über die soeben ausgegrabene römische Villa zu Weingarten, der dann auf Kosten des Vereins als Sonderdruck veröffentlicht wurde, zum erstenmale auf die Bedeutung des heutigen Kreuz-Weingarten zur Römerzeit hin.

„Das Dörfchen selbst und der Ort der neuesten Funde liegt mitten in einem Bezirk, den man auf weite Strecken ringsum als klassischen Boden bezeichnen kann.“ Diesen schmückenden Beinamen begründet der gelehrte Forscher durch den Hinweis auf zahlreiche Denkmäler römischen Lebens, als Bauten, Gedenksteine, Münzen, Geräte, Bildwerke, welche man bis dahin bereits in der Feldflur Am Kaiserstein und Auf'm Hondert sowie im Orte selber gefunden hatte, die heute zu den Kostbarkeiten des Provinzialmuseums gehören. Overbeck führt dann weiter Seite 4 – aus: „In die Mauern der Kirche, namentlich des Thurms und der südwestlichen Ecke, sind mehrere Steine eingemauert, von denen kein Mensch, der sie gesehen hat, zweifeln kann, daß sie römische Inschriftensteine sind, welche mit der Schrift nach innen oder nach unten eingemauert sind; nur ein einziger halber Inschriftstein ist mit der Schrift nach außen liegend, eingelassen. Einer flüchtigen Kopie konnte er nur noch die Feststellung entnehmen, daß es sich um einen Votivstein, eine Widmung an eine heidnische Gottheit, handle.

In Weingarten selbst scheinen die genannten Hinweise nicht bekannt oder nicht sonderlich beachtet worden zu sein. Von der jetzigen Generation wußte kein Mensch mehr etwas von dem Vorhandensein eines solchen Inschriftensteins in der Kirchenmauer. Vor ein paar Dezennien war die Kirche neu verputzt worden; ob der Stein herausgenommen worden war oder unter dem Verputz verdeckt lag, konnte keiner sagen. Versuche durch Loslösung einzelner in Frage kommender Steine aus dem Mauerverband hinter das Geheimnis zu kommen, hatten immer wieder nur den negativen Erfolg, daß die Annahme Prof. Overbecks von dem Vorhandensein weitere Denksteine sich bisher als unhaltbar erwies, wenngleich diese verschiedenartigen Sandsteine ebenso wie die zahlreich eingemauerten Ziegelbrocken unzweifelhaft von römischem Bauwerk herstammen.

Da stießen wir im letzten Sommer nun bei Arbeiten an der ehemaligen Südwestecke der Pfarrkirche, die heute infolge des Anbaues der Vorhalle in die Kirche einbezogen ist, auf den seit 12 Jahren vergebens gesuchten von Overbeck bezeichneten Stein. Er war tatsächlich achtlos mit verputzt worden. Es ist ein roter (Bunt)-sandstein vom Bleiberge, wie sich aus dem eingesprengten Bleiglanz ergibt, 68 cm lang, 26 cm breit. Wie Overbeck richtig gesehen hat, ist derselbe der Länge nach gespaltet worden, ohne daß sich leider seine Vermutung, daß die andere Hälfte oberhalb eingemauert sei, bestätigt hat. Nach der Untersuchung des Provinzialmuseums lautet die erhaltene Inschrift mit den stereotypen Ergänzungen, die ich in Klammern einsetze:


/ / / / / / / / / /
/ / / / / S E GEN (io)
(loci) / FLAVIUS
/ / / / / / CIUS BE (=beneficiarius)
(cos pr) O SE ET
(suis v) S L M (=v(votum) s(solvit) l(ibens) m(erito)
coss (SE) VERO (=consulibus)


Zu deutsch: Den ... (nicht näher bezeichneten Gottheiten) und dem Schutzgeist des Ortes hat Flavius ... cius, der Beneficiar, für sich und die Seinen ein Gelübde erfüllt gerne wie es sich gebührt - unter dem Konsulate des Severus ..

Der Text bildet ein Seitenstück zu dem im Jahre 1839 in der Flur Auf'm Hondert gefundenen Stein – vgl. Lehnert. Die antiken Steindenkmäler des Provinzialmuseums in Bonn no 102 –: ,Jupiter, dem Allgütigen und Höchsten, und dem Schutzgeist des Ortes hat Marcus Julius Maternus, der Beneficiar, für sich ...' wie oben. Beide Steine sind also dem Schutzgeist des Ortes in Verbindung mit einer andern Gottheit geweiht. Wie bei den Griechen und Römern hatte auch bei den keltischen Bewohnern unserer Heimat jeder Berg und jedes Tal aber auch jede menschliche Siedlung ihren besonderen Schutzgott. Leider ist nun bei unserm Steine der beigeordnete Göttername nicht mehr erhalten; das allein übrige Schluß-S (Dativ pluralis) läßt auf eine Mehrzahl wohl römischer Gottheiten, wie es bei den Weihungen der Beneficiarier in Verbindung mit dem Genius loci üblich war, schließen. Sollte allerdings die Inschrift zu dem bei Lehnert no 196 benannten, gleichfalls in Kreuz-Weingarten, aber ohne nähere Bezeichnung, gefundenen Weihedenkmal gehören, das einen Genius mit Füllhorn zeigt, über dem eine Siegesgöttin mit Kranz und Palme schwebt. – was noch genauer zu untersuchen sein wird, aber mir durchaus möglich erscheint – wäre die Ergänzung wenigstens teilweise gegeben.

Die Stifter der zu den beiden Steinen gehörenden Denkmäler werden Benificiarier genannt. Beneficiarier sind nach Lehnert Soldaten, welche durch einen höheren Offizier – in unserm Fall Statthalter einer Provinz mit konsularischem Rang – vom aktiven Heerdienst befreit sind = ,Gefreite'. Sie befinden sich beim Stabe der Kommandeure, wo sie im Bürodienste verwendet werden. Außerdem werden sie namentlich in späterer Kaiserzeit als eine Art Landjäger zum Aufsichtsdienst über den Straßenverkehr u. dergl. verwendet, weshalb sie häufig an wichtigen Straßenkreuzungen ihren Standort hatten. Letzteres dürfte in unserem Falle zutreffen, und wir werden wohl am ersten an einen Landjägerposten zu denken haben, der in Kreuz-Weingarten zum Schutze des Römerkanals und seiner Ueberführung über die Erft bei Rheder stationiert war. Ja die Vermutung liegt nahe, daß der in die Kirche vermauerte Stein von dem im Pastoratswäldchen in unmittelbarer Nähe des Römerkanals aufgefundenen römischen Tempel herkommt, da ja die alten Christen ihre Kirchen mit Vorliebe aus den Trümmern heidnischer Tempel erbauten.

Eine genaue Datierung der Errichtung des Weihedenkmals ist nicht möglich, da nur der Name des einen von beiden Konsuln genannt wird und der Name des Severus sich in den Konsulatstabellen öfter wiederholt; am wahrscheinlichsten wird die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts anzusetzen sein.

Aus verständlichen Gründen hat die Kirchenverwaltung von Kreuz-Weingarten es abgelehnt, den einzigen an Ort und Stelle verbliebenen sprechenden Zeugen aus römischer Zeit dem Provinzial-Museum in Bonn zu überantworten; es ist jedoch Sorge getragen, daß derselbe in Zukunft nicht wieder der Vergessenheit anheimfällt.

Reinartz, Pfarrer





Unsere Heimat, Beilage zum Euskirchener Volksblatt, Nr. 5, 22.6.33, S. 39–40.


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