Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Thomas Eichel, ein Eifeler Zimmermeister vor 250 Jahren, und sein Werk
Von Pfarrer Reinartz, Kreuz=Weingarten.

Im Jahre 1929 wurde in dem an altertümlichen Bauten reichen, unter andern auch mit einer sehr beachtenswerten Kapelle als Zeuge einer wohlhäbigen und kunstsinnigen Vergangenheit ausgezeichneten Eifeldörfchen Hostel am Bleiberge mit einem beträchtlichen Kostenaufwande seitens der Provinzial=Denkmalpflege eines jener interessanten alten Fachwerkgebäude, die leider in unsern Dörfern von Jahr zu Jahr mehr verschwinden, sachgemäß erneuert. Es handelte sich um das dem Gemeindevorsteher Engelbert Hamacher gehörende Haus Nr. 64, ein in allen wesentlichen Teilen wohlerhaltener Bau von 1680–1682. Wenn auch nicht so reich gegliedert und mit Schnitzwerk und Erkern versehen wie manches städtische Gebäude dieser Zeit, so stellt es doch in seinem symmetrischen Aufbau in einem auf niederer Steinmauer beruhenden untern und einem vorgekragten obern Stockwerk, gekrönt von zwei mit Holzmaßwerk ausgestatteten wimpelgeschmückten Frontgiebeln über der schmäleren Haustür und dem breiten Hoftor – in seiner stattlichen Längsausdehnung von 22 Meter, die sich in 30 Fachwerkfelder gliedert und von zahlreichen zierlichen kleinen Fenstern unterbrochen wird – in seinem frischen Farbenstriche: Wandflächen weiß, Türen und Fenstersimse hellrot, Balken schwarz, mit sparsamer Verwendung von blauen Leisten, das Muster eines däftig soliden, dabei traut anheimelnden Bauernhauses vor 250 Jahren dar, wie deren nicht viele mehr in der Eifel zu sehen sind. Schade nur, daß man bei dem Anstrich anstatt des harten Weiß nicht den wärmeren gelben Ton gewählt hat, wie er sich an einem benachbarten Gebäude aus der nämlichen Zeit noch traditionell erhalten hat.

Was aber unserem Hause seinen besonderen Wert verleiht, ist die an langen Querbalken zwischen beiden Stockwerken an ganzer Front sich hinziehende Bauinschrift, die uns einen lebensvollen Blick in seine Geschichte, ich möchte sagen in seine Seele tun läßt. Dasselbe ist keineswegs, wie es scheint, in einem Anhieb, nicht einmal unter einem Meister entstanden.



Der Teil rechts vom Hoftor an trägt die Schrift: HIE . STAHN . ICH . IN . GOTTES . HAND . DER BEHUETE . MICH . FUER . UNGLUECK . UND . BRANT . JOHANNES . GROHS . UND . SEINE . HAUSFRAW . AGNETA . BRANT . ZU . HASTEL . BAUDEN . MICH . M(eister) . THOMAS . UND . SEIN . PROTER . THEIS (– Bruder Matthias) . MACHEN . MICH . AN(N)O 1680.

Von links an liest man hingegen: ... ES . HAD . JOHAN . GROS . UND seine HAUSFRAU . AGNEDA . BRANDT . DIESES . DARAN . GEBRACHT . DAS . MEISTER . MATHEIS . GARTZEN . MICH . HER . GEMACHT . NICHT . OHN . SONDERBAREN . FLEIS . SICH . UND . SEINEN . NACHKOMLINGEN . ZUM NUTZEN UND PREIS AO 1682 . 15 APR(il). Nochmals steht über der Haustür: DER . AUS . UND . EINGANG . MEIN . – LAS . DIR . O Herr . BEFOHLEN . SEIN . – BEHUETE GOT . FUR UNGLUCK UD BRAD – JOHAN . GROS . UND . AG(n)EDEN . BRAN(t) ANNO 1682. Wie spricht doch diese alte Inschrift in ihrer umständlichen Breite von Gottvertrauen und Frommsinn, von Sorgen und Mühen, aber auch von berechtigtem Stolze über das glücklich vollbrachte Werk! Freilich, Frau Agnes ist desselben nicht lange froh geblieben. Im alten Totenbuche zu Glehn findet sich als erste Eintragung die Notiz: „Anges Brant, hinterbliebene Witwe von Christian Hensch, Scheffen zu Hasteln und Mechernich, heiratete am 11./5. 1666 Johan Grohs aus Holzheim, und starb am 22./10. 1682“. Kaum ein halbes Jahr später verehelichte J. Grohs sich zum zweitenmal mit Katharina Brauns aus Glehn.

Während nun von dem Vollender unseres Werkes, Meister Matheis Garzen, wenn nicht unter dieser Bezeichnung, wie ich stark vermute, eben der „Proter Theis“ steckt, mir weiter nichts bekannt geworden ist, sind von Thomas Eichel – mit Vater und Bruder? – aus der Zeit von 1652–1686 nicht weniger wie sechs weitere Fachwerkgebäude am Bleiberg bauinschriftlich bekundet. Zunächst auch von ihm die Personalien aus dem Trauungsbuch von Glehn: 1667 am ersten Mai wurden kirchlich getraut Thomas Eichel, hinterbliebener Sohn der Eheleute Matthias Eichel und Veronika?, mit Girtgen Lambertz von Pflastorff (Floisdorf). Ein Scheffe Theis Eichel – der Familienname wahrscheinlich von dem Personennamen Eikel=Thekla gebildet – wird 1620 in dem gleichfalls zur Pfarre gehörenden Bergbuir genannt.


Altes Fachwerkhaus am Bleiberg bei Mechernich.

Das erste der Meister Thomas zugeschriebenen Häuser befindet sich in Glehn Nr. 91. Nach Direktor Pohl, der durch seine Sammlung von Hausinschriften Ende der 70er Jahre vor. Jhd. sich große Verdienste erworben hat, wenn dieselbe auch sehr lückenhaft geblieben ist, lautet die unter einem Bretterverschlag verdeckte Schrift: „HOLTZ BIN ICH – JOHANNES HARTZEM BAWT MICH – THOMAS EICHEL MACHT MICH – IN GOTTES HAND STAN ICH. Anno 1633“. Eine Nachprüfung würde wahrscheinlich die Jahreszahl 1653 ergeben. In gedrängter Kürze, in markigen Worten ist der Text gefaßt, wie es zum Stil des nicht eben großen, aber heute noch fest gegründeten Hauses paßt. Wir finden in demselben die für die Bauten unseres Meisters typischen Wendungen: „Der Besitzer baut mich, der Zimmermann macht mich“; neben der Befehlung in Gottes Schutz aber auch den edlen Stolz auf Material und Fach, in dem der Meister sich betätigt; Holz erscheint ihm dem in damaliger Zeit des öfteren erwähnten „steinern Hause“ ebenbürtig.

Noch deutlicher wird der von dem Werte seiner Kunst überzeugte Zimmermeister in der Inschrift an dem schräg gegenüberliegenden Hause Mühlengasse Nr. 4: DER . HAUSER . WILT . BAWEN . MUS . KOST . UND . MISTER . THIS (Matthias) . NIT . SHWEN (scheuen) . UND . SETZEN . AUF . DEN . TISCH . BRODT . BUTTER . KEES . FLEISC . UND . FISCH. Auf einem höheren Balken desselben Hauses liest man noch: DAS MEIN HER OFT SEIN MÜLLEN . HAT . GEWETZ (das Scharfmachen des Mühlsteines!) . DES . HAT . ER . MICH . IHM . ZUEHEREN . UND . NUTZ . AHN . DEISES . ORT . GESETZ: 1652. Es folgt weiter eine von Pohl für ein heute nicht mehr auffindbares Haus Nr. 13 in Schützendorf angegebene Inschrift: HIE . STAN . ICH . IN . GOTTES . HANDT . DER . BEHUDT . MICH . FUR . FEWR . UND . UNGELEUCK . UND . BRANDT . HOLTZ . BIN . ICH . GORGEN . CLASSEN . VON . SCHUTZEN . DORF . BAWDT . MICH . MEISTER . THOMAS . EICHEL . ZIMMER . MAN . MACHT . MICH . ANNO 1666 . T(en) . 16 . NOVEMBER. Ebenda über der Haustür: DER . AUS . UND . IN . GANG . MEIN . LAS . DIR . O . HER . BEFOLLEN . SEIN . GORGEN . UND . SEIN . HAUS . FRU . ANG . - NIS. Auf der Höhe seines Könnens – vergleiche Abbildung – zeigt Meister Thomas das Haus des Schulteis und Steigers Velten Brandt, wohl eines Verwandten der früher genannten Agnes Brandt, zu Mechernich, Turmhoffstraße 26. Dasselbe nähert sich schon mit dem weitvorspringenden auf Konsolen ruhenden Obergeschoß, dem reichgeschnitzten Giebelwerk, dem die ganze Stirnseite durchlaufenden obern Spruchbalken dem Stil städtischer Prunkhäuser. Der Text stimmt weitgehend mit dem vorhin angeführten überein: HIE . STAN . ICH . INGOTTES . Hant . DER . BEHEUT . MICH . FUR UNGLEUCK UND BRANT . VALENTEIN . BRANT . SCHULTIS . IN MEHERNICH UND SEINE HAUS . FRAW . MARIA BAWEN . MICH . M(eister) . THOMAS EICHEL MACHT MICH . ANNO 1669 . DEN . 1 . t(en) . MAY. Kaum zwei Monate später erstand in Strempt ein weiteres Haus, das mit einer kleinen Variante den launigen Spurch von Glehn wiedergab: WER HAUSER WILT BAWEN DER MUS . THOMAS NIT SCHEWEN UND SETZEN AUF DEN DISH KES BOTTER BROT FLEISCH UND GEBRATEN FISCH ANO 1669 T . (en) 16 IUNIUS - LOTTWICH SCHWARTZ BAWT MICH UND MEISTER THOMAS EICHEL ZIMMERMAN MACHT MICH. Die beiden Spruchbalken befinden sich heute an dem Hause Nr. 188, aber nicht mehr an ursprünglicher Stelle. Als vor etwa 50 Jahren das alte Haus niedergelegt wurde und das jetzige etwas entfernt aufgerichtet worden sei, so erzählte mir eine freundliche betagte Einwohnerin, die die ganze Inschrift auswendig hersagen konnte, da habe man den Spruch doch nicht wegwerfen wollen, sondern ihn dem neuen Hause eingefügt. Ein zwar irreführernder, aber in seiner Unbeholfenheit um so rührender Akt der Pietät, mit dem ich mich herzlich gerne aussöhnte, um so mehr als ich fand, daß man an einem andern beachtenswerten Hause kurz vorher noch die Inschrift, weil unleserlich (?), überputzt hatte.

Weshalb Thomas Eichel den Bau von 1680 in Hostel nicht abgeschlossen hat, ist nicht ersichtlich, jedenfalls war seine Tätigkeit noch nicht beendet. Davon zeugt in dem nämlichen Hostel das Haus Nr. 55, das jenem an Stattlichkeit und künstlerischem Ausdruck kaum nachsteht. HIE . STHAHN . ICH . IN GOTTES . HAND . DER . BEHUT . MICH . FUR . UNGELEUCK . UND . BRAND . JACOB . BRAUN . SCHULTIS . ZU . HASTEL . UND . SEINE . HAUS . FRAW . GIRTRUD . MUND . BAWEEN . MICH . MEISTER . THOMAS . EICHEL . MACHT . MICH . ANNO . 1686 DEN . 24 . APPRILL.

Es ist ein erfreuliches Bild, welches sich aus unserer Zusammenstellung ergibt, und von einem reichen, von künstlerischem Streben und selbstbewußtem Können getragenen Schaffen spricht. Ohne Zweifel ist es nur ein kleiner Teil des Lebenswerkes von Meister Thomas Eichel, das wir für die Zeit von 1653–1686 nachweisen konnten. Dies ergibt sich auch schon aus der Feststellung, daß im Jahre 1669 in knapp zwei Monaten von ihm zwei Häuser errichtet wurden. Gewiß dürfen wir aus dieser Baufreudigkeit auch auf einen ziemlichen Wohlstand für die ersten Dezennien nach dem 30jährigen Kriege am Bleiberge schließen, zumal wenn wir die durchweg eingeschränkte und schmucklose ländliche Bauweise der obern Eifel zum Vergleiche heranziehen. Bei dem bodenständigen Material, das zu den Fachwerkbauten verwendet wurde – eine wahre Pracht von Eichenbeständen muß damals noch die Dörfer schützend umsäumt und die Berghöhen bekleidet haben – werden die Baukosten immerhin mäßig geblieben sein. Noch heute sieht man seine Freude an diesen massiven, kernigen Eichenbalken, die gut gezimmert und wohlgepflegt, den Fachwerkbauten eine fast unbegrenzte Haltbarkeit verleihen, welche den Steinbauten wenig nachgibt. Heute da jene stolzen Eichen, deren Durchmesser Manneslänge betrug, so gut wie ausgestorben sind, ist allerdings auch die Zeit jener stolzen Fachwerkbauten vorüber. Aber von rechtem Handwerkstolz, von Sinn für Anmut und Traulichkeit, nicht zuletzt auch von Frommsinn und Scherz könnte die heutige nüchterne, zumeist aufs derb=praktische gerichtete, namen- und seelenlose ländliche Bauweise noch immer vieles an ihnen lernen. Schützen wir denn unsere alten Bauten, lesen wir an Hand der Kirchenbücher ihre erlöschenden Inschriften, pflegen wir sie in dem Geiste, in dem sie erstanden sind, und unsre Ahnen werden uns segnen.





Eifelvereinsblatt, Nr. 8/9, Aug./Sept. 1930, S.118–119.


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