Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Weistum des kurkölnischen Amtes Hardtburg
von Pfarrer Reinartz Kreuzweingarten

Weistümer unserer Heimat

Weistümer 1) werden genannt die Verkündigungen und Erklärungen des geltenden Rechtsbrauches, welche im Mittelalter von den Vertretern einer Ortschaft oder eines Bezirks, den Schöffen 2), regelmäßig auf dem Herrengeding 3) gegeben wurden. In einzelnen Fällen schon früher, allgemein für Aemter und Gemeinden, Gerichts- und Hofverbände, auch für Pfarrbezirke, seit dem 14. Jahrhundert aufgezeichnet, sind dieselben bis zur französischen Revolution für Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftsleben mehr oder minder in Kraft geblieben. In der Neuzeit wurden sie dann von Männern wie Jakob Grimm, Lacomblet, Königer und andern gesammelt, schlummern aber noch vielfach im Staub der Archive, alten Prozeßakten und dergleichen, ohne daß die Ortsgeschichte von diesen grundlegenden Dokumenten Kenntnis hätte und nähme. Was den Weistümern noch einen ganz besondern Reiz verleiht, ist die beispielhafte, bildgesättigte Sprache, in der die Rechtsanschauungen des Volkes, ganz anders wie in den trockenen juristischen Paragraphen von heute, zum Ausdruck gelangen. Sie sind, wie der Altmeister Jakob Grimm in der Vorrede zum zweiten Bande seiner Weistümer so schön sagt, ein frischsprudelnder Quell, aus dem wir die Kunde deutscher Sprache, Mythologie und Sitte unglaublich bereichern können, sie geben manchen Partien der Geschichte überhaupt erst Farbe und Wärme.

Das Gesagte gilt natürlich auch für die Weistümer unserer Heimat. Sie sind zum Teil veröffentlicht, vielfach in seltenen, schwer zugänglichen Werken, fast ausnahmslos ohne Erklärung ungebräuchlicher Worte und Redewendungen auch ohne Erläuterung alter, uns seltsam anmutenden Rechtverhältnisse, und darum unverständlich für das Volk; manche sind noch ganz unbekannt geblieben. Außerdem ist zu bemerken, daß die Weistümer, weil ortsbedingt, voll und ganz auch nur von der Ortsgeschichte ausgewertet werden können, die oft genug allein in der Lage ist, alte Flurnamen, Gemeindegrenzen, Redensarten zu deuten. Es ist darum sehr zu begrüßen, daß in den wieder neu erstandenen Heimatblättern des durch seine Verdienste um die Heimatgeschichte weitbekannten und allseitig anerkannten Volksblatt-Verlags ein Organ geschaffen wird, in welchem in zwangloser Folge auch mit der Veröffentlichung der Weistümer des Kreises Euskirchen und der angrenzenden Orte des Kreises Schleiden begonnen wird. Es wird das dann auch ein kleiner Beitrag sein zur Fortsetzung der von der „Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde" 1881 begonnenen Ausgabe Rheinischer Weistümer, die aber seit den Veröffentlichungen von Hermann Aubin über die Weistümer der Aemter Hülchradt und Brühl seit 1914 wieder ins Stocken gekommen ist. Wir beginnen mit dem Weistum des Kurkölnischen Amtes Hardt vom Jahre 1378 in deutscher Uebertragung.


Weistum des kurkölnischen Amtes Hardt
übersetzt nach dem lateinischen Wortlaut bei Grimm, Weistümer, II, 671 und ergänzt nach der Abschrift in der Kindlingerschen Sammlung 61,8 im Staatsarchiv Münster i. Westfalen.

Vorbemerkung: Friedrich v. Saarwerden, Erzbischof von Köln, 1370–1414, bereits mit 22 Jahren auf den erzbischöflichen Thron gelangt, jedoch beraten von seinem weisen und erfahrenen Oheim, Erzbischof Kuno von Trier, der bis dahin auch die Verwaltung des Kölner Bistums geführt hatte, gehört der großen Zahl der besseren Kirchenfürsten seiner Zeit an. Er hat nicht nur als Erzbischof seine geistlichen Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt, sondern auch in seiner Eigenschaft als weltlicher Regent bedeutende politische Erfolge erzielt. Unter ihm erfolgte 1388 die Errichtung der Universität Köln, deren 550jähriges Jubiläum wir jüngst gefeiert haben; er wurde auch in Verfolg der Reichspolitik Ottos des Großen, der freilich oft genug zum Schaden der Kirche selbst, deren Vorsteher, in denen er die treuesten Stützen der Reichseinheit und Kaisermacht erblickte, mit weltlichen Herrschaftsrechten und Gebieten betraute, von Kaiser Karl IV. mit dem Herzogtum Westfalen belehnt, das von da ab mit dem Kölner Erzstuhl vereinigt blieb.

Die unter dem Kurkölnischen Amte Hardt vereinigten im Weistum aufgezählten, räumlich vielfach getrennten Gemeinde- und Gerichtsbezirke waren durch Schenkung des Grafen von Ahr-Hochstaden, Theodor, des Bruders des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden, 1246 an die Kölner Kirche gekommen. Man möchte diese reiche Schenkung, die auch die spätern Aemter Altenahr und Nürburg umfaßte, und die Graf Theodor, der als Propst von Xanten auch Geistlicher war, der Kölner Kirche unter der ausdrücklichen Bestimmung vermacht hatte, daß sie ihr nicht durch Verlehnung entfremdet werden dürfe, gerne mit dem Kölner Dombau in Verbindung bringen. Am Maria Himmelfahrtstage 1248 legte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein zu dem „großen, köstlichen und ewigen Bau", wie eine mittelalterliche Chronik den Kölner Dom nennt, ein Beginnen, das überreiche Mittel voraussetzte. Nur Walram von Bergheim aus dem Jülichschen Hause, das stets der Rivale des Erzstiftes gewesen, focht die Schenkung an. Es kam zu langwierigen und auch blutigen Auseinandersetzungen, die ihren Abschluß damit fanden, daß nach dem Aussterben der Bergheimer Seitenlinie im Jahre 1312 Jülich sich tatsächlich im Besitz vornehmlich Prümscher Lehen aus der Hochstadenschen Erbschaft behauptete, die es zu dem Amte Münstereifel zusammenschloß, während Köln die Hardtburg als Stützpunkt und Verwaltungszentrum der ihm verbliebenen Gebietsteile einrichtete. Damit waren die Herrschaftsverhältnisse im oberen Erftland für ein halbes Jahrtausend bis zur französischen Staatsumwälzung festgelegt. Jeder der beiden Gegner suchte nun sein Gebiet durch Anlage von Befestigungen zu sichern. So stand Zülpich gegen Euskirchen, Rheinbach gegen die Tomburg, die Hardtburg gegen Münstereifel. Und es ist eine seltsame Ironie der Geschichte gewesen, daß gerade ein Kölner Erzbischof aus dem Hause Jülich, Walram, der Bruder des spätern Herzogs, es war, der die Hardtburg 1341 stark mit Mauern und Türmen bewehren ließ. Aus diesen Verhältnissen heraus erklärt sich auch ohne ersichtliche Veranlassung unsere Urkunde leicht aus der Absicht des umsichtigen Regenten, die Besitzrechte des Erzstiftes erneut bestätigen zu lassen, wie es bereits sein Vorgänger, Wilhelm v. Gennep, 1354 getan hatte 4). Während dieser aber damals nur die Schöffen von Kuchenheim, wo die Interessen-Gegensätze besonders hart aufeinander stießen, in die „aula" – Halle oder Rittersaal – der eben erneuerten Hardtburg geladen hatte, war es jetzt eine große allgemeine Volksversammlung, die durch Glockenklang aufgeboten, sich vor der Hardtburg eingefunden hatte, um dem Landesfürsten, der umgeben von seinen Rittern und dem Hofstaate unter der großen Eiche hielt, das geltende Recht über Treueeid und Landeshoheit in Krieg und Frieden, Gerichtsbarkeit und Steuersachen zu bekunden, das dann notariell festgelegt wurde.

Im Namen des Herrn – Amen! Durch die gegenwärtige Urkunde werde allen kund und offenbar, daß im Jahre 1378 nach seiner Geburt, am 22. Dezember, welches der Tag des hl. Mauritius und seiner Gefährten war, zur Vesperstunde, auch ungefähr im ersten Jahre des Pontifikates unseres heiligsten Vaters und Herrn in Christus, Urbans durch göttliche Vorsehung des sechsten 5), bestellt und dazu berufen und versammelt waren vor der Hardtburg in der Diözese Köln in Gegenwart unseres hochwürdigsten Vaters und Herrn in Christus, Friedrichs, durch Gottes Gnade Erzbischof der hl. Kölner Kirche und Herzogs von Westfalen, in eigener Person den Vorsitz führend, vor mir, dem öffentlichen Notar, und den unterschriebenen, eigens hierzu berufenen und gebetenen Zeugen die maßgebenden Männer aus den Dörfern und fast die gesamte Einwohnerschaft der Herrschaft und des Bezirks der Hardtburg, aus Kuchenheim und den angrenzenden Dörfern, soweit sie zu den Jahren der Vernunft gelangt und dazu berufen und erfordert waren. Derselbe Herr Erzbischof befrug diese Männer und Insassen, erinnerte sie an die ihm und seiner Kirche geleisteten Eide und erforschte, inwieweit sie nach vorheriger reiflicher Ueberlegung, ihm in Gegenwart der Anwesenden ausdrücklich von Punkt zu Punkt und in gerichtlicher Form der Wahrheit gemäß geständen, erklärten, anerkennten und zusprächen, was immer er und seine Kölner Kirche für Recht, Macht und Herrlichkeit im Bezirk und der Herrschaft Hardtburg, in Kuchenheim und den angrenzenden Dörfern bisher besessen hätten, besäßen und nach Recht und altem Herrschaftsbrauch besitzen müßten. Welche dann einmütig, um zu überlegen beiseite traten und nach kurzer Zeit zurückkehrend alle in einen Ruf ausbrachen und übereinstimmend antworteten und damit erklärten, anerkannten und zustimmten.

Zuerst und vor allem, daß Huld und Treue dem zeitigen Herrn Erzbischof, der Kölner Kirche und der Herrschaft der Hardtburg durch alle Männer und Einwohner, sobald sie zu dem vorgeschriebenen Alter gelangt und zum Geding kämen, daselbst geleistet und geschworen werden müsse, und daß niemand von den Einwohnern zum Gericht zugelassen werden dürfe, der nicht vorher dem Herrn Erzbischof von Köln, seiner Kirche und seinem Amtmann in der Hardt in seinem Namen vor dem Gericht im Bezirke der Hardt, unter dem und in dem er wohnt, Huld und Eid der Treue geleistet hat.

Auch sagten, erkannten und wiesen sie wie vorhin, daß Hoheit und Vollgewalt, Kriegsgeläute und Folge im Bezirk der Hardt nur dem Herrn Erzbischof und der Kirche von Köln gehörten, und Gebot und Verbot daselbst dem Herrn Erzbischof, der Kirche zu Köln und ihren Amtleuten zuständen und keinem andern, unbeschadet der Rechte der Lehnsherren auf ihren Lehnsgütern 6), welche aber dort nichts vorschreiben können gegen die Vorschriften oder Rechte des Herrn Erzbischofs und seiner Amtleute oder der Kölner Kirche.

Auch sagten, erkannten und wiesen sie. daß die Straße und Gemeinde–Grund und –Boden 7) in dem genannten Bezirk der Hardt allein dem Herrn Erzbischof und seiner Kölner Kirche gehöre; wenn dort ein Verbrecher oder Missetäter gefangen würde, oder jemand gefrevelt hätte, über den dürfe nur der Herr Erzbischof der Kölner Kirche oder sein zeitiger Amtmann zur Hardt richten 8).

Auch sagten, erkannten und wiesen sie, daß Luft, Wasser und Weide in dem genannten Distrikt ganz und allein dem Herrn Erzbischof und der Kölner Kirche gehörten, und daß jeder, der im Bezirke der Hardt selber wohnt, und Wasser und Weide benutzt 9), denselben die durch den Herrn Erzbischof von Köln oder seinen Amtmann zur Hardt zeitweilig einzuführenden oder aufzuerlegenden Bede und Schatz nach ihrem Können und dem Maßstab ihres Vermögens bezahlen muß, ausgenommen nur die Aussteuer der Kirchen, die von altersher freien Güter der Geistlichen und Ritter, soweit sie nicht früher Bauerngüter oder sonst steuerpflichtig waren.

Auch sagten sie ebenso wie vorhin, im Bezirke und in der Herrschaft Hardt seien sechs Schöffenstühle, einer in Kuchenheim, ein anderer in Stotzheim, ein dritter in Kerspenich, ein vierter in Weier, ein fünfter in Sinzheim (Zingsheim), ein sechster in Muxscheid.

Auch sagten die Leute aus dem Dorfe Kuchenheim, die anwesend waren, daß der Herr Herzog von Jülich, einige Höfe und Güter in Kuchenheim besäße:

Verhandelt wurde Gegenwärtiges Jahr, Ort, Tag, Stunde wie oben in Anwesenheit der ehrenfesten Männer Goswin von Tiscele, Dekan der Kirche von Xanten .... Heidegin von Holtzheim, Amtmann in Hardt, der Ritter Rembold von Orsbeck, Heinrich und Gerhard Voß, Gebrüder, von Lechenich, Harper von Halle. Heinrich von Sickingen, Arnold von Luyurche, Adolf von Westerholt, Arnold Cloysgin und anderer mehrerer glaubhaften Männern vom Hofdienst (de familja et obsequio) des Herrn Erzbischofs.





  1. von „weisen" = „das Recht weisen".

  2. von „schöpfen" = „das Recht schöpfen". Meist in der Siebenzahl, den Schultheiß oder Vogt an der Spitze.

  3. Gerichtstag, zu dem die Untertanen vor der Herrschaft erscheinen mußten: „dingen = „zum Erscheinen verpflichten", heute noch „das Hausgesinde, Knecht oder Magd dingen".

  4. Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Niederrheins, Bd. VI S. 283. Weistum zu Kuchenheim von 1354 Dez. 12.

  5. Der rechtmäßig gewählte Papst, zu dem der Kölner Erzbischof mit den anderen rheinischen Kurfürsten hielt gegenüber dem französischen Gegenpapste Klemens VII. zu Avignon.

  6. So hatte beispielsweise das Stift Münstereifel einen freien Hof zu Weingarten; auch gehörten zum Amte Hardt als Unterherrschaften mit bestimmten Rechten und Pflichten Klein-Büllesheim, Burg Ringsheim und die Abtei Steinfeld.

  7. communitas = Almende.

  8. Das unterirdische Verließ im Hardtturm soll vor Jahren zugeworfen worden sein.

  9. Sinnfällige Begründung der Steuerpflicht: Bede (precaria) freiwillig zuerkannte Abgabe, Schatz (exactio) durch Schätzung geforderte Steuer. Steuerfrei waren die dem Dienste Gottes Geweihten und die zurn Kriegsdienst verpflichteten Personen.





Unsere Heimat, Beilage zum Volksblatt, Oktober 1938/39, 11. Jahrgang, 1. + 2. Folge





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