Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





P. Paulinus Rick S.D.S.

Das Kloster Steinfeld in seiner geschichtlichen Bedeutung

Zum Geleit

Die Wogen des Zeit- und Menschengeschehens schlugen mehr als tausend Jahre gegen die festen Mauern der Gottesburg in Steinfeld. Wilde Eifelstürme und Unwetter nagten an ihr; Bosheit und Tücke rannten mit brutaler Gewalt gegen sie an. Sie überstand alles. Trutzig und wehrhaft schauen die drei Türme der romanischen Basilika von ihrer stolzen Höhe weit ins Land. Kaum einer nennt die Namen derer, die hier in weltabgeschiedener Einsamkeit still und treu ihrem Gott und den Mitmenschen dienten.

Erben und Träger ihres Geistes zu sein, obliegt heute als vornehme Pflicht der Genossenschaft der Salvatorianer.

Sie wollen Wegweiser sein:
allen, die Steinfeld in Freundschaft dienen,
allen, die in der Fragwürdigkeit der Zeit und des Lebens nach Festigkeit und sicherem Ziel suchen ...
und nicht zuletzt allen, die i h n suchen und lieben, der in Steinfeld sein Leben heiligte:
H e r m a n n - J o s e p h.





Die geheiligten Mauern sahen frohe und schwere Tage, schließen Menschenschicksale ein, bittere Prüfungen und stolze Siege. Mehr als Worte es sagen können, wird es der verständige Beschauer ahnen.

Der Verfasser möchte an dieser Stelle allen seinen Mitbrüdern im Kloster Steinfeld danken, die ihm geholfen haben, diese Schrift zu vollenden. Voran gilt mein Dank Herrn Dr. theol. et jur. can. Joseph Brosch, Vizepostulator des Heiligsprechungsprozesses des Seligen Hermann-Joseph, für die Anregung und sachkundige Durchsicht der Arbeit, sowie Herrn Prof. Dr. Jos. Kurthen, Aachen, für seine überaus wertvollen Hinweise.

Hervorgegangen aus einer tiefen Liebe zur Heimat, wollen diese wenigen Blätter dem Freund und Pilger das Kloster Steinfeld, sein Werk und seinen Geist erschließen, wobei in diesem kurzen Rahmen natürlich Vollständigkeit nicht erwartet werden kann. Das Büchlein möchte nur ein kleiner Beitrag sein zu dem großen geschichtlichen Werk, um das sich seit Jahrzehnten die verschiedensten Historiker bemühen, denen auch der Verfasser, ohne ihre Namen im einzelnen aufzuzählen, sich tief verpflichtet weiß.

Kloster Steinfeld, am hl. Pfingstfest 1949.

P. Paulinus Rick S.D.S.

Zur Neuauflage

S t e i n f e l d ist ein Anziehungspunkt für viele Gläubige und verweilende Beschauer und hat eine Sendung in unsere Zeit.

Das beweist die Tatsache, daß in wenigen Jahren Tausende nach dem Büchlein „Das Kloster Steinfeld" gegriffen haben, um sich eingehender mit seiner Geschichte und dem Leben des Seligen Hermann-Joseph zu befassen.

Um weiterhin dem Pilger und Freunde Steinfelds zu dienen und sie vertraut zu machen mit dem bewahrenden und erneuernden Geist, den hier ein Jahrtausend gezeigt, gebe ich eine neue, verbesserte Auflage in die Hand.

Das Büchlein möchte vermehrten Sinn und Geschmack für die Höhe göttlicher Berufung und göttlichen Dienstes wecken.

Sennelager ü. Paderborn, Pfingsten 1954 Haus Heilandsfriede

P. Paulinus Rick S.D.S.





Die Geschichte des Klosters Steinfeld

In das geschichtliche Dunkel, das über der Landschaft der Nordeifel liegt, fällt ein erster Lichtstrahl um das Jahr 920. Damals wird zum ersten Male der Name S t e i n f e l d genannt. 1) Auf Veranlassung Sibodos, des Stammvaters der Grafen von Hochstaden, und mit Zustimmung des Erzbischofs Rutger von Trier wurden in einem feierlichen Akt die Gebeine des heiligen Bekenners und Apostels der Mosel, Potentinus, und seiner beiden heiligen Söhne Felicius und Simplicius von Carden nach Steinfeld überführt. 2) Sibodo, der Graf des Ahrgaues, soll in den dortigen Wäldern auf hervorragender Höhe zwischen Urft, Ahr und Kyll ein Jagdschloß besessen haben, das er, einem frommen Gelübde folgend, in ein Frauenkloster umwandelte. Erzbischof Wigfried von Köln (925 bis 953) weihte das Gotteshaus ein. Die Übertragungsurkunde trägt das Datum vom 18. Juni 920. Es waren adelige Benediktinerinnen (920-1097), die in der wilden Einsamkeit und Weltabgeschlossenheit das Gotteslob sangen.





Da bei den Klosterfrauen die Ordenszucht verfiel, berief ein Nachfolger Sibodos, Theodorich von der Ahre, Augustiner-Chorherren aus dem Stifte Springirsbach im Kreise Wittlich, die 23 Jahre nach Art von Regularklerikern lebten.

Als dann der heilige Norbert von Xanten 1120 seinen Orden gründete, den er auf der Regel der Augustiner-Chorherren aufbaute, gewann er in seinem begeisternden Schwung auch die Steinfelder Konventualen für seine neue Gründung. Steinfeld wurde somit Prämonstratenserkloster. Die Stiftungsurkunde des Kölner Erzbischofs Friedrich (1100-1131), die die Rechte und Pflichten des Klosters regelte, ist die älteste noch erhaltene Urkunde. 3)

Bereits der erste Propst war ein Mann von überragender Prägung. Es war Evervin von Helfenstein (1126-1152), der St. Norbert und auch St. Bernhard von Clairvaux persönlich kannte. Er legte 1142 den Grundstein zur Kirche. Zur selben Zeit schickte er einige seiner Mitbrüder nach dem fernen Böhmen und erschloß auch dort in mühevoller Arbeit die Herzen dem Christentum und der Kultur. 4) Für seine rastlose Tätigkeit gibt der Bau der gewaltigen Kirche Zeugnis, die er innerhalb von acht Jahren zum Abschluß brachte. U l r i c h, der zweite Propst (1152-1170), ein feinsinniger Gelehrter, ein Mann von Klugheit und hervorragendem Wissen, übernimmt das Erbe Evervins und beseelt es mit seinem Geiste. Seine uns erhaltene Briefsammlung zeigt 5), daß sein Blick nach Westen gerichtet ist, wo in Orten wie Citeaux, Clairvaux und Premontre Mittelpunkte einer großen, religiösen Bewegung entstanden waren. Im eigenen Orden wie in der Öffentlichkeit gleich hoch geschätzt, muß er neben Evervin, dem Organisator und dem Mann der Tat, als der eigentliche Begründer Steinfelds gelten. Beide haben in harmonischem Ausgleich ihrer Naturen Steinfeld zu so hoher Blüte geführt, daß der selige Friedrich von Mariengarten seine Neugründung im Jahre 1163 Steinfeld unterstellte. Propst Ulrich nimmt Hermann-Joseph von Köln, der in rund 70 Jahren hier sein Leben heiligte, in das Kloster Steinfeld auf. Der Orden der Prämonstratenser vertauscht aus Gründen des Ansehens und der Vereinheitlichung der Leitung den Titel Propst mit dem Titel Abt. Papst Eugen III. unterstützt dieses Bestreben und gibt den Bischöfen Anweisung, die Äbte zu weihen. 6) In seiner bedeutenden Stellung wird auch Kloster Steinfeld nach dem Tode des fünften Propstes aus der Propstei in eine Abtei verwandelt. 44 Äbte stehen in den Jahrhunderten (1184-1802) der Klostergemeinde vor.

Zweihundert Jahre hatte die Abtei Zeit, um sich zu entfalten und zu festigen. Von den Gaugrafen der Ahr gefördert, mit seinen Rechten und seinem Besitz unter päpstlichen Schutz gestellt 7), erreichte das Kloster in dieser Zeit ruhigen Friedens reichen Wohlstand. Wirtschaftlich gesichert, können die Söhne des heiligen Norbert in Steinfeld ihrer doppelten Aufgabe dienen: der Aszese und dem Apostolat. Ihr engelgleiches, weißes Kleid versinnbildet die beschauliche und tätige Seite prämonstratensischen Lebens. Nach der Bestimmung des Gründers sollte der Orden Seelsorgsorden sein. Diese Aufgabe erfüllt Kloster Steinfeld. Außer dem Archidiakonat Steinfeld mit den Orten Steinfeld, Kall, Sistig, Wildenburg und Krekel, hatten die Steinfelder Chorherren im Laufe der Jahre 14 eigene Pfarreien erworben und für viele andere Pfarreien das Präsentations- und Kollationsrecht. 8) Mit großer Hingebung übten die Chorherren die Seelsorge aus in einem Gebiet, dessen äußerste Spitzen einmal von St. Dionysius in Krefeld bis nach Wehr bei Laach und dann wieder von Bracheln bis nach Fritzdorf nahe der Ahr reichten.

Dem Frieden und Wohlstand, dem religiösen Ernst und reichen Gottessegen folgen im 13. Jahrhundert Unruhe, Krieg und innerer Hader. Mißernten und Hungersnot kamen über das Land. Steinfeld war gezwungen, manche seiner Liegenschaften zu opfern, um der Not zu wehren. Pest kam und lichtete die Reihen der weißen Mönche. Die finanzielle und wirtschaftliche Not und eine damit verbundene innere Zerrüttung stiegen so hoch, daß in 47 Jahren sechs Äbte residieren und wieder resignieren. Und nun kam der ärgste Schlagl Die Bretonen, geführt von Walram von Luxemburg, fielen in das Land ein, um mit Schwert und Brand in einer kriegerischen Entscheidung die Gläubigen vom rechtmäßigen Papst Urban VI. abspenstig zu machen und sie für den Gegenpapst Clemens VII, zu gewinnen. Da Steinfeld das Bollwerk der Streiter für den rechtmäßigen Papst war, war es eines der Hauptziele der Plünderer. Es wird erstürmt, die Kirche in Brand gesteckt, die Mauern des Klosters werden geschleift, die Mönche vertrieben. Abt Gottfried Bongenberg (1381-1388) wird verschleppt und, weil er das für seinen Kopf geforderte Lösegeld nicht zahlen kann, am 17. Dezember 1388 grausam ermordet. An seinem Grabe stehen die einfachen Worte: Ossa B. M. Godefridi de Bongenberg.

Dennoch kehrten die Konventualen nach Abzug der Plünderer wieder zurück und in 100jähriger, entbehrungsreicher Arbeit machten sie Steinfeld äußerlich und innerlich wieder zu einem Mittelpunkt des religiösen und geistlichen Lebens der Nordeifel und darüber hinaus für den ganzen Westen. In weitblickenden, klugen und energischen Äbten entstanden dem Kloster Männer, die den Gestalten der ersten Gründungszeit nichts nachgeben. Abt Gerhard III. von Wichterich (1389-1412) war die geeignete Persönlichkeit, das Kloster aus den Ruinen wieder einer neuen, verheißungsvollen Zukunft entgegenzuführen. Er wird mit Recht „der zweite Begründer Steinfelds" genannt. Mit dem äußeren Aufbau ist er zugleich von dem Bestreben erfüllt, die Abtei nicht nur wirtschaftlich zu heben, sondern vor allem den rechten Ordensgeist wieder zurückzubringen. Abt Jakob I. (1412-1416) büßt durch die Mörderhand der eigenen Brüder bei diesem Reformwerk sein Leben ein. 9) Seine Nachfolger arbeiten im gleichen Geiste und führen die Abtei zu Ansehen und Einfluß. Steinfeld nimmt einen der ersten Plätze unter den deutschen Klöstern ein und behauptet so Jahrhunderte hindurch seine Stellung. 10)

Die Seelsorge der Prämonstratenser umfaßte den ganzen Menschen. Das gab ihnen wache Bereitschaft für die Not der Zeit. Abt Reiner Hundt (1484-1492) aus Euskirchen, der große Gönner der Eifelbevölkerung, wußte, daß nur der lebendige Anruf eines echten Christentums, das in der christlichen Liebestätigkeit sich vollendet, die Menschen überzeugen und die Seelen für Gott gewinnen konnte. Darum speiste er in einem Hungerjahr zweimal wöchentlich 500 Bedürftige an der Klosterpforte. 11)

Die Zeit der Glaubensspaltung fand Steinfeld in höchster Blüte. Zeugnis dafür ist die Tatsache, daß schon Abt Johann II. (1439-1465) in der aufsteigenden Not zum Visitator für die Klöster der westfälischen Zirkarie (Provinz) ernannt wurde. Dieser Auftrag und dieses Aufsichtsrecht sind in der Folge auf sämtliche Äbte übertragen und von ihnen ausgeübt worden in einem Gebiet vom Westen bis nach Breslau und zum fernen Böhmen-Mähren. 12) Trotz höchster Beanspruchung im weiten Aufgabenbereich des eigenen Klosters haben die Steinfelder Äbte diese Pflicht nie vernachlässigt. 13) Tiefe Frömmigkeit, echter Glaubensgeist und mustergültige Ordenszucht waren die Voraussetzung dafür. Papst Paul III. hat die Leistungen Steinfelds lobend anerkannt und 1536 Abt Johann Vl. von Ahrweiler die Berechtigung verliehen, Stab und Mitra zu tragen und Pontifikalämter zu feiern.

Wohl litt die Abtei unter schweren Heimsuchungen in den Reformationskriegen 14) und den Raubkriegen Ludwig XIV., die schreckliche Verwüstungen und großes Elend über die Abtei brachten, daß sie zeitweise in ihrem Bestand erschüttert schien. Doch konnten alle inneren und äußeren Bedrängnisse sie nicht zu Grunde richten.

Nach diesen Wirrnissen blieb es Abt Christoph Pilkmann aus Bonn (1606-1630) vorbehalten, in weiser Vorausschau zu erkennen, daß den Mitbrüdern zunächst das notwendige Rüstzeug für eine geistige Auseinandersetzung mit der neuen Lehre geboten werden müsse. Darum gründete er in Köln für Steinfeld und die Stifte der rheinisch-westfälischen Zirkarie das „Collegium Norbertinum", eine Pflanzstätte hoher Wissenschaft, die in der Folge von allen Äbten gefördert wurde und hohe Bedeutung für den Orden der Prämonstratenser und die religiös-wissenschaftliche Haltung des Westens gewann. Das Kloster Steinfeld ist so in der Lage, Lektoren der Theologie für Klosterschulen des eigenen Ordens und fremder Orden zu stellen: wie für Himmerode, Heisterbach, Camp und andere. Abt Christian Steinhewer (1732-1744) bekleidet fünfmal das Amt des „Rector Magnificus" an der Universität Köln. Seit Pilkmann sind alle gewählten Äbte durch die Schule des Norbertinums gegangen, deren Leiter und Lektoren gewesen. Unter ihnen verdient Abt Johann VII. Luckenrath (1661-1680) aus Heistert bei Kall besondere Erwähnung, eine überragende Persönlichkeit, die nicht nur mit Klugheit und Tatkraft die Geschicke des Klosters Steinfeld lenkte, sondern darüber hinaus als Generalvikar der Zikarien Westfalen, Ilefeld und Wadgassen rastlos und erfolgreich tätig war. Unter seinen Schülern, denen er das Beispiel wahrer Frömmigkeit und gediegenen Wissens vorlebte, sind zwei nachfolgende Äbte, Abt Theodor Firmenich (1680 bis 1693) und Abt Michael Küll (1693-1732). 15) Einen besonderen Beitrag bot der Konventuale Leonhard Goffine (1648-1719) aus Broich bei Jülich, der einer Kölner Patrizierfamilie entstammte. In seiner „Handpostille" will er die Gläubigen in den Geist des Kirchenjahres einführen und sie zum lebendigen Leben mit der Kirche anleiten.

Mit Stolz und Recht darf der Konventuale und Professor des Kirchenrechtes Arnold Denner in seiner Festschrift zur Begrüßung des Abtes Lohelius Begasse bei dessen Rückkehr aus Böhmen (1747) Steinfeld also nennen: die „Domus in petra, in qua lux habitat, et in qua tenebris non fuit, non est, non erit locus". („Das Haus auf dem Felsen, in dem das Licht wohnt, in dem kein Raum für Finsternis war, noch ist, noch sein wird.") Diese Überschrift beleuchtet und begründet er in folgendem, wenn er fortfährt: „Ehrwürdigster Herr Prälat, aller Hochachtung würdig! Nachdem wir uns der Benutzung und dem Studium der Schriften zugewandt haben, haben wir doppelten Nutzen aus diesem Unternehmen gewonnen: was uns betrifft, so haben wir uns vor allem hinsichtlich der Treue zur Kirche vertieft; und weiterhin haben wir größere Fähigkeit erlangt, die einen in der Rechtgläubigkeit zu bestärken und andere wieder für sie zu gewinnen. Das erreichten wir, weil wir Euren so heilsamen Anregungen Folge leisteten". 16)

Die innere Stoßkraft und Stärke gewinnt äußerlich Gestalt in einem Bauprogramm des Abtes Evermodus Claessen aus Gangelt (1767-1784), das Steinfeld seine heutige Form gab, - kaum daß die Umfassungsmauern und ein abschließendes Tor vollendet waren -, durch Napoleonisches Dekret vom Jahre 1802 plötzlich allem klösterlichen Leben ein gewaltsames Ende bereitet wurde. Die Kirche wird Pfarrkirche, die umliegenden Ländereien werden parzelliert, die herrliche Bibliothek verschleudert und verbrannt. Unverstand und Roheit verrichten ein Zerstörungswerk. Die Abtei selbst wird versteigert. Erster Ansteigerer soll die energische Persönlichkeit, der letzte Abt Gilbert Surges (1790-1802), gewesen sein. Seine Erben werden die beiden Chorherren Heinrich Hansen (gestorben in Steinfeld 1831) und Evermodus Gau (gestorben in Blankenheim 1841). Diese veräußerten die Abtei an die Privatleute Michael Römer, den früheren Braumeister, und Thomas Klinkhammer, den ehemaligen Pförtner des Klosters. Diese verkauften sie 1844 auf einer Versteigerung in Trier dem preußischen Staat für 20 000 Gulden. Der Fiskus unterhielt nun hier bis zum Jahre 1923 eine Fürsorge-Erziehungsanstalt. Dann aber nahm durch Vermittlung des Erzbischöflichen Generalvikariates Köln die Genossenschaft der Salvatorianer (Gesellschaft des Göttlichen Heilandes) das Haus in Pacht und betreut seitdem Kloster, Kirche und Gemeinde von Steinfeld.

Im Jahre 1881 wurde in Rom der Grundstein zu dieser religiösen Genossenschaft vom Diener Gottes P. F r a n z i s k u s J o r d a n gelegt (geboren 1848 in Gurtweil/Baden, gestorben 1918 in der Schweiz).

Zwei Hauptziele steckte er seinen geistlichen Söhnen: die persönliche Nachfolge Christi und die Verbreitung des Glaubens durch christliche Erziehung der Jugend, sowie durch ordentliche und außerordentliche Seelsorge.

Der Verwirklichung dieses Doppelzieles obliegen die Salvatorianer im Kloster Steinfeld. Durch Einkehrtage, Exerzitien, Volksmissionen und regelmäßige Pfarraushilfen in der Umgegend suchen sie das Reich Gottes auf den ihnen angewiesenen Plätzen zu mehren und zu stärken.

Bereits im Jahre 1923 wurde in Steinfeld eine Schule mit Internat (Hermann-Joseph-Kolleg) eingerichtet. Sie wurde als Ordensnachwuchs- und zugleich als Zubringerschule für das Obergymnasium der Salvatorianer in Lodiau bei Bregenz unterhalten. Durch Erlaß des vormaligen Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Jahre 1939 geschlossen, wurde die Erlaubnis zur Wiedereröffnung auf Antrag im Jahre 1946 gegeben und im Jahre 1949 vom Kultusministerium Nordrhein-Westfalen die Genehmigung zum Ausbau als altsprachliches Gymnasium erteilt.

Zwei Internate, das eine für Schüler, die den Ordensberuf ergreifen wollen, das andere für Schüler, die irgendeinen freien Beruf wählen können, sind diesem Gymnasium angegliedert.





„Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land ...“

Auf steiler Höhe, umgeben von dichten Laubwaldungen, liegt das Kloster Steinfeld vor uns, das Werk eines Jahrtausends. Weithin sichtbar ragen die Türme der Gottesburg ins Land. Von welcher Richtung Wanderer und Pilger auch immer kommen, das gewaltige Ausmaß der gesamten Anlage nimmt sie gefangen.

Wir schreiten durch ein schlichtes Eisentor in der Umfassungsmauer, die einen Bezirk von dreißig Morgen umschließt, und stehen vor der Kirche. Das schmucklose Äußere läßt den inneren Reichtum nicht ahnen, der sich dem Besucher beim Eintritt in die Kirche bietet. Zusammenklang von Kraft und Schwung, Synthese von romanischer Wucht und barocker Fülle und Freudigkeit! So könnte man den ersten Eindruck zusammenfassen. Als Bindeglied zwischen Romanik und Barock dürfen wir die spätgotischen Malereien der Deckengewölbe und die Renaissance-Ornamente der Gurtbögen bezeichnen, die ein Element des Beschwingten hineintragen und den Gesamteindruck keineswegs störend beeinflussen. In feinsinniger Weise hat sich der Künstler des Barock hineingefunden in die klare romanische Anlage. Bei allem üppigen Knorpelwerk läßt er die romanischen Rundbögen in den beiden Türen, im Hauptbild, den runden Volutenkappen und dem oberen Bild des barocken Hochaltares wiederkehren. So vereinigen sich im Bau strenge Würde und vornehme Einfachheit.

Am linken Pfeiler der Vierung finden wir eine Urkunde

in den Sandstein gemeißelt:

ANNO D(OMI)NIC(A)E INCARNATION(IS) MCXLII FUNDATA E(ST) ECCL(ESI)A ISTA

„Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1142 ist diese Kirche gegründet worden."

1142! Diese Zahl gibt uns Aufschluß. Es ist die kraftvolle Zeit des ersten Probstes Evervin von Helfenstein. Den Namen des Baumeisters der Kirche kennen wir nicht. Selbst wenn wir ihn kennen würden, müßten wir zugeben, daß er von Evervin stark beeinflußt war, da seine Persönlichkeit hinter dem Werk stand. Nach der Begegnung mit dem hl. Norbert hatte jener die Regel der Augustiner-Chorherren mit der der Prämonstatenser vertauscht. Diese ihrerseits war stark beeinflußt von der noch strafferen Regel der Zisterzienser. In der Glaubensglut der Mönche von Cluny ließ er die Gottesburg in trutziger Wucht und Schwere erstehen. Starkes, frommes Leben sollte hier atmen. Dem entspricht die architektonische Schmucklosigkeit im Innern und Äußeren des Kircheraumes. So finden wir an den Außenwänden keinen Fries, keine Lisenen, kein Ornament; - nur ganz dürftig sind diese am Portal, dem Vierungsturm und der Apsis angedeutet. - Dem entsprechen im Innern glatte Wände. So atmet der Bau den strengen Geist des Zisterzienserstils. Trotz der bewußten Herbheit zeigt das Heiligtum eine wohltuende Schönheit in der klaren Anlage und der organischen Durchbildung des ganzen Raumes.

Die Kirche ist eine kreuzförmige, dreischiffige Pfeilerbasilika des gebundenen, romanischen Systems, aus rotem Sandstein erbaut. Das Chor schließt eine halbrunde Apsis ab, die leider durch den Hochaltar verdeckt wird. Das Querhaus hat rechts und links vom Chor je zwei geschlossene Kapellen. An der Nordseite des Querhauses schließt die Sakristei an; rechts an der Südseite befinden sich die Stephanus- und Ursulakapelle, die wohl ein höheres Alter tragen als die Kirche selber. Breit und wuchtig wächst die Westfront empor, um das Kloster gegen jeden Angriff zu schützen und zugleich eine feste Mauer gegenüber dem Lärm der Welt aufzurichten. Diesen Gedanken des Schützens und Wehrens betont die Michaelskapelle, die sich im Westwerk über der Vorhalle befindet. Durch die Einfachheit und Zurückgezogenheit des äußeren Beiwerkes erhält der Bau in seiner klassischen Klarheit wuchtige Dynamik. Kantig wachsen die Pfeiler empor und tragen die schweren Gewölbe. Breite Gurtbögen lagern darüber und fesseln den aufmerksamen Kenner durch die Kühnheit der Konstruktion. - Die Joche des Mittelschiffes und Querhauses sind 7,70 m breit. - Als Träger der Gurtbögen und der Last der Gewölbe sind die Eckpfeiler der Joche an allen vier Seiten durch vorgelagerte Pilaster verstärkt. Die sich daraus ergebenden K r e u z p f e i l e r geben mit den einfach gehaltenen Stützpfeilern und den darüberliegenden Arkadenbögen das eindrucksvolle Kräftebild der romanischen Bauart. Steinfeld ist eine der ersten Kirchen Deutschlands, in denen man das bisher Unerhörte wagte, solche Räume mit grätigen Kreuzgewölben zu überdecken. Noch größer wird unser Erstaunen, wenn wir erfahren, daß die ganze Last des zum Oktogon auswachsenden Vierungsturmes nicht auf den Ecken der Pfeiler, sondern auf dem Scheitelpunkt der Gurtbögen ruht.





800 Jahre haben die starken Mauern überdauert. Kein Ansturm, kein Brand und kein Unwetter der Geschichte haben sie in ihren Grundfesten erschüttern können. Steinfelds Gotteshaus - und das ist sein bedeutungsvoller Wert - ist in geschlossener Bauzeit begonnen und vollendet worden und hat in all den Jahrhunderten im Grundriß und Bau keine Veränderung erfahren. Durch den Einfall der holländischen Truppen (am 29. 1. 1592) und die Brandschatzungen der französischen Truppen in den Raubkriegen Ludwig XIV. wurde neben schweren Dachschäden das Westwerk zerstört. Es wurde in neuer Form wieder aufgebaut. Das heutige Bild mit den beiden runden Türmen ist gerechtfertigt durch Grundrißzeichnungen in der zweiten Kapelle des rechten Querhauses, die Baumeister Wiethase von Köln im Jahre 1874 zu seinem neuen Aufbau benutzte und den Bau der ursprünglich geplanten, jedoch nie ausgeführten Form nahebrachte.

Die Bretonen hatten im Jahre 1388 das Kloster „funditus" zerstört. Nachdem in einem schicksalsschweren Jahrhundert die Gebäude wiederhergestellt und der Geist wieder gefestigt waren, konnte Johann III. von Altena (1468 bis 1483) seine besondere Sorge der Kirche zuwenden. In seiner Regierungszeit, die durch Krieg und Plünderung, durch Steuerabgaben und Mißwachs sehr erschwert war, konnten noch reichliche Mittel für Kloster und Kirche erübrigt werden 17) Dem Chor der Kirche gibt er zunächst einen neuen Steinbelag, läßt dann das Innere vollständig neu überholen und verputzen und mit einem weißen Anstrich versehen. Die Michaelskapelle im Westwerk, die inzwischen verfallen und zu einem Getreidespeicher herabgewürdigt war, wurde durch seine Initiative wiederhergestellt, mit einem neuen, gotischen Gewölbe und zwei neuen Fenstern versehen, das eine gegen Süden und das andere als Öffnung zum Mittelschiff der Kirche hin. Im Chor, das die Vierung und das folgende Joch des Mittelschiffes umfaßte, ließ er in zwei Doppelreihen ein neues, wertvolles Chorgestühl mit 100 Sitzen erstehen und errichtete an dessen Ende den Lettner als Scheidewand zwischen Klosterchor und Laienraum.





Abt Johann V. von Münstereifel (1501-1509) ließ diesen Lettner abbrechen und als Orgelunterbau an das Westende der Kirche setzen. Dadurch schließt er die Vorhalle durch eine Mauer mit zwei Fensternischen ab und verwendet die beschnittene Tür des Lettners in der romanischen Bogenöffnung zwischen Vorhalle und Mittelschiff. Die Stelle des Lettners vertrat ein von ihm errichtetes, in hervorragender Arbeit geschaffenes Eisengitter, dessen Spuren nach der Entfernung (1804?) noch zu sehen sind. 18) Derselbe Abt Johann V. erbaut auf dem ältesten Teil der Kirche eine neue S a k r i s t e i mit einem Altar, der im Jahre 1505 durch Weihbischof Theodorich von Köln konsekriert wurde. 19) Abt Christian Steinhewer (1732-1744) vollendet das Werk. In seinem Auftrag baut der Laienbruder Leonhard Eggen aus Tirol ein spätgotisches Sterngewölbe in den Raum ein, schmückt ihn mit kostbaren Schränken in Aachener Rokoko und die Wände mit Delfter Platten. Das Kreuz auf dem ehemaligen Abtsaltar aus dem Jahre 1500 gibt dem Raum ein besonderes Gepräge.

Die Klosterkirche war die Sorge aller Vorsteher und Äbte im Verlaufe der Jahrhunderte. Jede Zeitepoche gab ihren Beitrag. Und dennoch ist die ehrwürdige Abteikirche in jedem ihrer Teile ein geradegewachsenes Kind der vielen Jahrhunderte.

Wenn sie heute als eines der besterhaltenen, mittelalterlichen Baudenkmäler des Rheinlandes gelten kann, so danken wir dies neben der Initiative der Patres Salvatorianer vor allem der Rheinischen Denkmalpflege, die in zehnjähriger, umfangreicher Arbeit die schweren äußeren Dach- und Mauerschäden beseitigte und dann das Innere der verwahrlosten Kirche renovierte.





Literatur:

  1. J. Katzvey: Geschichte der Stadt Münstereifel, 2. Teil Köln 1855, S. 200 ff. „aus der Hand des Pfarrers Hansen.“ Eine in metrischem Versmaß verfaßte Gründungsgeschichte des Klosters.
    Ebenso: „Eremit vom hohen Venn“, Montjoie, 10. Juli 1829

  2. Gelenius: „De admiranda magnitudine Coloniae“, 1645 Quarto decimo Kal. Julii, die Junii, S. 647.
    Die klare Wiedergabe der Translatio Potentini (920) bei Gelenius stützt die legendäre Gründungsgeschichte Steinfelds, vergleiche auch Sollerius: „Martyrologium Usuardi“ p. 346 zu 18. Juni.

  3. Lacomblet: Urkundenbuch Bd. I. S. 191 f. und Ennen, Annalen, H. 23, S. 146. Cfr. Auch Goerz: Mittelrhein. Regesten, Bd. I. Nr. 1727. Original Stadtarchiv Köln.

  4. 1140 Gründung von Kloster Strahow bei Prag, 1142 Doxan, 1149 Selau.

  5. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins t. 18. 1846, S. 242 u. 22. Bd. Aachen, 1900 S. 357.

  6. Theodor Paas in Annalen H. 95. S. 61.

  7. Ennen Annalen, H. 23 (1871) S. 153 und S. 162.

  8. Theodor Paas, a. a. O. H. 99, S. 171.

  9. Cfr. „Hagiologium Norbertinum“ 20. August 1416, Siehe auch Ölgemälde in der Sakristei zu Steinfeld!

  10. Theodor Paas, Annalen 99, S. 99.

  11. Theodor Paas, a. a. O. H. 99. S. 109-110.

  12. Theodor Paas, a. a. O. H. 99. S. 123 ff.

  13. Cfr. N. Reinartz, „Johann VII. Luckenrath“, 1941. S. 14.

  14. Im Burgundisch-Kölnischen Krieg unter Erzbischof Ruprecht von Köln. - Im Kölner Krieg durch den Abfall des Erzb. Gebhard Truchseß. (1583) - Durch den Einfall der Holländer am 29. Januar 1592.

  15. Mitgliederalbum, Archiv, Kloster Steinfeld.

  16. Arnold Denner, Konventuale in Steinfeld von 1726-1775, Lector Sacrae Scripturae et Sa. Canonum in Köln, Collegium Norbertinum: In der Einleitung zu seiner Dissertation über: de Ecclesia Christi, die er dem aus Böhmen heimkehrenden Abt Lohelius Begasse widmet. Archiv, Kloster Steinfeld.

  17. Gelenius: „Historia Steinfeldensis“ Farragines XXI. S. 158. Ich verdanke den Hinweis auf Gelenius „Farragines“ Herrn Prof. Dr. Kurthen.

  18. Gelenius: a. a. O. p. 158 18a) Gelenius: a. a. O. p. 165.

  19. Pfarrarchiv Steinfeld No. 4b. Urkunden.





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P. Paulinus Rick S.D.S, Steinfeldführer, Steinfeld 1954, 53 S., 2. Auflage
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